Die Welt, 6 febbraio 1997
Gefahr durch Uran im Jumbo?
Die Firma Boeing baute das Metall bis 1981 in 551 Flugzeuge ein
http://www.welt.de/daten/1997/02/06/0206s185559.htx
Von ANATOL JOHANSEN

Bonn - Die israelische Luftfahrtgesellschaft El Al soll bis zur kommenden Woche Auskunft darüber geben, warum sie bestimmte, aus abgereichertem Uran bestehende Bauteile ihrer Jumbo-Jets (Boeing-747) nicht längst ausgetauscht hat. Das hat in dieser Woche der Wirtschaftsausschuß des israelischen Parlaments verlangt.

Hintergrund dieser Aufforderung ist der Absturz einer El-Al-Frachtmaschine vom Typ Boeing-747, die vor vier Jahren in einen Wohnblock in Amsterdam raste. In dem betroffenen Wohnviertel sollen angeblich inzwischen erhöhte Krebsraten und eine gestiegene Anzahl von behindert geborenen Kindern registriert worden sein.

Uran wurde von Boeing sowohl an den Querrudern verbaut, die an der Hinterkante der Tragfläche sitzen, als auch an den Höhenrudern am Heck der Maschine. Das Metall, das noch schwerer als Blei ist, diente jeweils als Gegengewicht. Wurde also ein Ruder nach oben geklappt und damit dem erheblichen Luftdruck des Fahrtwindes ausgesetzt, so sorgte auf der anderen Seite das schwere Gegengewicht aus Uran dafür, daß diese Klappenverstellung mit relativ wenig Kraftaufwand erfolgen konnte.

Das Uran wurde seit Ende der sechziger Jahre von Boeing in Jumbo-Jets eingebaut. Dabei war die Menge an Uran von Flugzeug zu Flugzeug verschieden. Bei den ersten 747-100- und 747-200-Flugzeugen wurden jeweils etwa 400 Kilogramm verwendet, bei der Boeing-747SP - der Langstreckenversion "Special Performance" - sogar etwa 500 Kilogramm. Insgesamt installierte man an den Ruderanlagen von 551 Jumbo-Jets Gegengewichte aus abgereichertem Uran.

Schon von 1981 an ersetzte dann der Flugzeughersteller das Uran durch das ebenfalls sehr schwere Metall Wolfram. Aus diesem Grund gibt es bei der relativ jungen Flugzeugflotte der Deutschen Lufthansa heute keinen Jumbo-Jet mehr, der mit Uran-Komponenten fliegt. Die El Al, deren Flotte älter ist, betreibt noch neun Boeing-747 mit Uran-Gegengewichten. Der Austausch des Urans gegen Wolfram sei jedoch nicht aus Sicherheitsgründen erfolgt, erläutert ein Boeing-Sprecher, vielmehr habe dies rein wirtschaftliche Gründe gehabt. Ohnehin betont der Flugzeughersteller, daß man vor der Verwendung des abgereicherten Urans ausführlich habe untersuchen lassen, ob dieses Material in irgendeiner Form gesundheitsschädliche Auswirkungen haben könnte. Dabei habe sich herausgestellt, daß dies nicht der Fall sei - auch nicht bei einem Absturz oder beim Brand einer Maschine. Nie und nimmer hätte die Firma sonst dieses Material in ihren Flugzeugen verbaut.

Nach dem Golfkrieg gegen Irak war hingegen abgereichertes Uran durchaus schon einmal ins Gerede gekommen. Amerikanische Panzermunition, die durch die Verwendung von Uran sehr schwer und damit auch sehr durchschlagskräftig gemacht wurde, hatte beim Zerbersten von Panzerplatten durch ihre Brandwirkung giftige Gase freigesetzt.